Geld stinkt...

sagte meine Großmutter (mütterlicherseits) immer. An sie dachte ich, als ich unsere neuen Geldmünzen einmal unter die alte Lupe meines Großvaters nahm. Bei dieser ihrer Bewertung von Geld krauste Großmutter dabei ganz genau so ihre Nase, wie wenn sie die Geschichte vom Plumps-Klo am früheren Kl. Süstedter Bahnhof erzählte.In dessen dunkle Tiefen versank an einem eiligen Sommerreisetag 1919 nämlich nicht nur, was dringend hinein sollte, sondern auch die Geldmünzen für die Reise, darunter zwei reine 850er Silbermünzen. Ich ahne, dass sie das mit dem Stinken gar nicht nur wegen des Plumps-Klo-Unglücks sagte, sondern allgemein. Sie hatte was gegen Leute mit Geld. Vermutlich, weil sie nach ihrer Heirat nie mehr genügend davon sah. Denn ein hannoverscher Dorfpastor war ein armer Schlucker gegen die Amtsbrüder in den Hansestädten. Geldlich gesehen. Und was man an Begehrenswertem nicht (mehr) hat, lässt sich besser ertragen, wenn es schlecht gemacht wird. Geld stinkt...Meine andere Großmutter (väterlicherseits) liebte Geld. Weil sie welches hatte. „Geld regiert die Erde und Gott die Welt,“ sagte diese und wusste viel davon. Beide Großmütter lebten mit vier Währungen, überlebten zwei Währungsreformen sowie die offenen und verdeckten Inflationen und lernten, was alles unter Geld fällt: Vollwertiges Geld (wo Metallwert und Geldwert einander entsprechen)? Oder unterwertiges Geld (für solches Geld bekommt man mehr als sein Blech wert ist). Stoffwertloses Geld (das Geld besitzt überhaupt keinen Eigenwert, nur einen abstrakter Tausch-Wert). Meine Großmütter waren die absoluten Finanzminister der jeweiligen männerreichen Familien. „Junge," sagte meine mütterliche Großmutter. „lass die Finger vom Geld - es stinkt!" „Junge," sagte meine väterliche Großmutter, „lass die Finger vom Geld. Männer verstehen davon wenig, wenn es um das nackte Leben geht." Nun sitze ich über dem Euro und habe Heimweh nach der Mark, der einen von den vielen deutschen Marksorten, die meine Großmütter hin- und herwendeten. Meine Großmütter würden - wenn es sie denn über dem Himmel geben sollte - auf mich schimpfen, wie schwer mir der Euro fällt. „Junge", würden beide sagen, „Euer Euro ist vollwertiges Geld" (s. o.). Sei dankbar, dass es solches gibt!“. Und mein patriotischer Großvater (väterlicherseits) hätte gewiss auch gesehen, was ich durch seine Lupe sehe: Auf den Euro-Münzen ist - die ganze Lüneburger Heide zu sehen. Unter der Lupe und mittels einer Nadel können wir unseren Kindern unsere Heide samt Uelzen und Allenbostel auf dem deutschen Fleck zeigen. Mitsamt Uelzen und Allenbostel. Besonders auf den 50 und 20 Cent. Nur meine eine Großmutter (die gegen Geld, dafür las sie Sigmund Freud und die Bibel) würde mich ablenken und wieder auf das Stinken des Geldes hinweisen. Denn seit Sigmund Freuds Psychoanalyse wissen wir, dass Geld nichts anderes ist als der Verwandte unserer-das ist tiefenpsychologisches Wissen!: - unserer Exkremente. Unsere Vorvorvorfahren verehrten ihre Ausscheidungen noch, opferten ihren Göttern damit, später düngten sie damit und tauschten anderes Wertvolle dagegen und noch später - kam das Geld dafür. Sagt Sigmund Freud. Nicht nur meine Großmutter (mütterlicherseits). 08. Mai 2002